Jahresgespräch: So wird es zum effektiven Entwicklungsinstrument
Schnell hinter mich bringen – das ist für einige Führungskräfte und Mitarbeiter:innen die Devise beim Jahresgespräch. Doch wenn Jahresgespräche nicht gut geführt werden, verlassen Mitarbeitende den Termin enttäuscht und demotiviert. Richtig vorbereitet und durchgeführt kann das Jahresgespräch aber ein zentrales Führungs- und Entwicklungsinstrument sein.
Leitfaden für Mitarbeitergespräche hier herunterladenWas versteht man unter dem Jahresgespräch?
Das Jahresgespräch ist ein Instrument, um Personal zu führen und zu entwickeln. Zum Jahresende oder -beginn ziehen Vorgesetzte und Mitarbeiter:innen Bilanz über die Ergebnisse und Leistungen der letzten zwölf Monate – was lief gut und was kann noch verbessert werden? Basierend auf diesem Feedback vereinbaren sie Ziele und Maßnahmen zur Weiterentwicklung. Das Jahresgespräch findet unter vier Augen in einer wertschätzenden und vertraulichen Atmosphäre statt. Es ist ein wichtiger Baustein im Performance Management.
Gründe für das Jahresgespräch
Der jährliche Austausch dient vor allem dazu, die Performance und Entwicklung der Mitarbeitenden voranzubringen. Idealerweise bewerten Führungskräfte nicht nur, sondern werden zu Coaches, die die Mitarbeiter:innen fördern. Dazu machen sie konkrete Maßnahmen aus und schauen gezielt auf Fortschritte und Potenziale.
Oft geht Feedback im Alltag unter. Das Jahresgespräch ist ein Fixpunkt für konstruktive und wertschätzende Rückmeldung. So kann es zu einer guten und vertrauensvollen Beziehung zwischen Chef:innen und ihren Teammitgliedern beitragen.
Feedback geben: Einmal im Jahr reicht nicht
Wertschätzung und Offenheit sind gerade den Generationen Y und Z wichtig. 91 Prozent der Arbeitnehmenden wünschen sich regelmäßiges und ehrliches Feedback. Den meisten kommt es aber zu kurz, oder Vorgesetzte sprechen nur Fehler an. Darunter leidet laut einer Qualtrics-Studie die Zufriedenheit: Wer nur wenig Lob oder Anmerkungen bekommt, freut sich selten oder nie auf die Arbeit. Im Idealfall reiht sich das Jahresgespräch daher in eine Serie regelmäßiger, über das Jahr verteilter Feedback-Gespräche ein.
Probleme oder Konflikte lassen sich nur schwer zwischen Tür und Angel ansprechen. Im Jahresgespräch können Teammitglieder und Vorgesetzte sie in einem ungestörten und vertraulichen Rahmen auf den Tisch bringen. So können sie gemeinsam nach Lösungen suchen.
Gut geführte Jahresgespräche haben darüber hinaus wichtige Effekte:
Das Arbeitsklima kann sich verbessern, wenn Probleme nach dem Termin gelöst werden.
Wertschätzendes Feedback und Entwicklungsperspektiven motivieren die Mitarbeiter:innen und stärken die Mitarbeitererfahrung.
Zufriedene und motivierte Teammitglieder legen eine bessere Performance an den Tag.
Durch konkrete Ziele für die nächsten zwölf Monate können Jahresgespräche den Unternehmenserfolg ankurbeln.
Die drei Phasen im Jahresgespräch
Damit das Jahresgespräch eine positive und motivierende Wirkung entfalten kann, müssen HR und Vorgesetzte es gründlich vorbereiten. In der Regel dauert es ein bis zwei Stunden, ein Jahresgespräch mit Mitarbeiter:innen zu führen. Diese Zeit sollte klar strukturiert sein. Drei Phasen sind entscheidend:
1. Rückblick & Feedback
Nach einem persönlichen Gesprächseinstieg blicken Vorgesetzte und Mitarbeiter:in auf das vergangene Jahr zurück: Was waren Erfolge, besondere Projekte, wichtige Entwicklungen oder auch Herausforderungen? Sie analysieren auf Basis des Vorjahrs, inwieweit das Teammitglied die gesetzten Ziele erfüllt hat. An dieser Stelle können Führungskräfte auch auf Punkte eingehen, mit denen sie nicht zufrieden waren.
2. Ist-Analyse
Die nächste Phase nimmt die aktuellen Aufgaben des Teammitglieds in den Fokus. Wichtige Fragen sind beispielsweise, ob sie oder er zufrieden mit den Aufgaben und der Arbeitssituation ist, sich Veränderungen wünscht, oder unter- oder überbelastet ist.
3. Vorschau & Weiterentwicklung
Im letzten Schritt werfen die Gesprächsteilnehmenden einen Blick in die Zukunft und besprechen, wie es im nächsten Jahr weitergehen soll. Zum einen vereinbaren sie klare Leistungsziele. Diese orientieren sich an den fachlichen Stärken des/der Mitarbeiter:in und an Unternehmenszielen.
Zum anderen geht es um die fachliche und persönliche Weiterentwicklung. Was sind berufliche Perspektiven und Entwicklungspotenziale? Welche Weiterbildungen sind speziell dafür sinnvoll? Die Entwicklung sollte sowohl ihre oder seine Wünsche und Pläne als auch Bedarfe im Unternehmen berücksichtigen.
Wenn auch das Teammitglied alle Themen angesprochen konnte, sollte sich die Führungskraft abschließend noch einmal aufrichtig für die Leistung und das Engagement des Mitarbeitenden bedanken.
Ziele im Jahresgespräch formulieren
Formulieren Sie Ziele eindeutig, messbar, positiv und realistisch, damit die Mitarbeitenden sie mit angemessenem Commitment erreichen können. Verabreden Sie, bis wann sie die Ziele erfüllen. Um Fortschritte zu überprüfen, sind Meilensteine oder Zwischengespräche sinnvoll. Mitarbeiter:innen sind außerdem motivierter, ihre Ziele zu verfolgen, wenn sie sich mit ihnen identifizieren. Also: Ziele gemeinsam vereinbaren und nicht Top-down vorgeben. Beispiele zu konkreten Zielformulierungen finden Sie hier.
Wie sinnvoll ist ein Protokoll?
Während oder nach dem Termin ein Gesprächsprotokoll anfertigen – bei einigen Chef:innen ist diese Aufgabe eher unbeliebt. Es spricht aber einiges dafür, die Ergebnisse und Absprachen aus dem Jahresgespräch schriftlich festzuhalten und auch unterschreiben zu lassen:
Das Protokoll unterstreicht die Verbindlichkeit der Vereinbarungen.
Die Unterschriften zeigen: Mitarbeiter:in und Führungskraft stimmen den Gesprächsinhalten zu.
Das Protokoll ist die Basis für das nächste Jahresgespräch: So sind die vereinbarten Ziele und Maßnahmen in zwölf Monaten noch transparent und nachvollziehbar.
Über die Jahre veranschaulichen die Dokumente die Entwicklung der Angestellten. Das ist beispielsweise im Fall eines Vorgesetztenwechsels wichtig.
HR Manager:innen können Führungskräfte mit einer gut strukturierten Vorlage für das Gesprächsprotokoll unterstützen. Diese sorgt für ein flüssiges Gespräch und stellt sicher, dass alle Aspekte bewertet und die drei Gesprächsphasen abgedeckt werden. Eine nachvollziehbare und vergleichbare Bewertung ist entscheidend – gerade, wenn sie an variable Vergütungen wie Boni gekoppelt ist.
Formulierungen im Jahresgespräch
Ohne Respekt und Wertschätzung geht es im Jahresgespräch nicht. In jedem Fall sollten Vorgesetzte konstruktiv und auf Augenhöhe kommunizieren.
Auf die Details eines Fehlers einzugehen, bringt nur wenig. Stattdessen sollten die Gesprächspartner:innen überlegen, welche Learnings das Teammitglied für das nächste Mal mitnimmt. Diese Art der Gesprächsführung hilft ihr oder ihm, sich zu verbessern. Läuft das Jahresgespräch aber auf Vorwürfe oder eine lange Liste mit Kritikpunkten hinaus, kann es ganz gegenteilige Effekte haben und nachhaltig demotivieren. Lesen Sie hier wie sie erfolgreiche Kritikgespräche mit Mitarbeitern führen
Damit Mitarbeitende die Leistungsbeurteilung auch nachvollziehen können, sollte sie fair und objektiv sein. Hierfür ist ein 360-Grad-Feedbacks hilfreich: Holen Sie ergänzende Einschätzungen von Kolleg:innen, Projektleiter:innen oder anderen Führungskräften ein.
Außerdem sollten Vorgesetzte ihren Mitarbeiter:innen Raum geben, ihre Ansichten, mögliche Unzufriedenheiten und Wünsche anzusprechen. Am besten nehmen Sie entsprechende Fragen fest im Leitfaden für das Gespräch auf.
Leitfaden: 15 sinnvolle Fragen
Wie fördernd und erkenntnisreich das Jahresgespräch ist, lässt sich mit passenden Fragen steuern. Das sind 15 Formulierungen für die drei Gesprächsphasen, die HR Manager:innen für ihre Vorlage für Führungskräfte nutzen können:
Rückblick
Welche Ziele haben Sie im letzten Jahr erreicht – welche haben Sie nur teilweise oder nicht erfüllt?
Gab es dabei Hindernisse?
Welche Aufgaben liefen im letzten Jahr gut und welche weniger?
Welche Ihrer Fähigkeiten haben Ihnen bei To Do‘s und Projekten geholfen?
Wie sah das Feedback von Kund:innen oder Kolleg:innen aus?
Ist-Analyse
Welche Projekte stehen gerade an?
Gibt es Herausforderungen oder Probleme, die zeitnah gelöst werden müssen?
Wie bewerten Sie aktuell Ihre Kapazitäten?
Was würde Ihre Arbeit effizienter gestalten (z.B. Software)?
Wie nehmen Sie das Arbeitsklima wahr und was würde es verbessern?
Vorschau
Welche Ziele und Aufgaben sind im nächsten Jahr wichtig?
Wie stellen Sie sich Ihre berufliche Weiterentwicklung vor?
Welche Perspektiven wünschen Sie sich im Unternehmen?
Mit welcher Weiterbildung könnten Sie Kompetenzen erweitern oder aufbauen?
Möchten Sie noch ein bestimmtes Thema ansprechen?
Thema Gehalt im Jahresgespräch
Viele Mitarbeitende nehmen das Jahresgespräch zum Anlass, um ihr Gehalt zu verhandeln. Wenn es dafür kein gesondertes Gespräch gibt, müssen HR und Führungskräfte also damit rechnen, dass Geld ein Thema wird. Für Vorgesetzte sollte klar sein, ob und welcher Spielraum besteht. Wichtig ist: Gehaltswünsche sollten auf jeden Fall ernst genommen und nicht belächelt werden. Denn oft machen sich Mitarbeiter:innen wochenlang Gedanken darüber, wie sie das Thema ansprechen können.
Lassen Sie Aspekte anführen, warum mehr Gehalt angemessen wäre. Dazu zählen zum Beispiel zusätzliche Ausbildungen oder Verantwortung. Wenn Sie die Forderung bewerten, spielen außerdem Faktoren wie die wirtschaftliche Lage des Unternehmens oder Gehaltsbänder eine Rolle.
Ist keine Gehaltserhöhung möglich? Dann können möglicherweise Alternativen für den/die Mitarbeiter:in interessant sein und Wertschätzung zeigen – beispielsweise besondere Förderungen wie Coachings oder flexiblere Arbeitszeiten. HR Manager:innen und Führungskräfte sollten sich vorher abstimmen, welche Leistungen sie anbieten können.
Checkliste: Jahresgespräche professionell vorbereiten
Mit dieser Checkliste bereiten Sie als HR Team den Prozess für effiziente Jahresgespräche professionell vor. Übrigens: Viele dieser Punkte übernehmen passende HR Tools zum Teil sogar automatisiert.
Hilfsmittel bereitstellen: Unterstützen Sie die Führungskräfte mit verschiedenen Dokumenten, etwa Anleitungen zur Vorbereitung, Fragen und Antworten zum Prozess, Guidelines und Leitfäden zur Gesprächsführung und Vorlagen für die Beurteilung des Jahresgesprächs.
Einheitlichkeit gewährleisten: Stellen Sie sicher, dass die Bewertung standardisiert und damit möglichst vergleichbar ist. Dazu ist eine unternehmensweit einheitliche Vorlage mit eindeutigen Kriterien und einer Bewertungsskala nötig. Diese sollte aber genug Flexibilität für funktionsspezifische Unterschiede bieten. Denn: Ziele und Kriterien sehen zum Beispiel im Einkauf ganz anders aus als in der Buchhaltung. So vermeiden Sie, dass Führungskräfte und Mitarbeitende etwas diskutieren und bewerten müssen, das vielleicht gar nicht anwendbar ist.
Führungskräfte schulen: Das Jahresgespräch ist kein beliebiger Jour Fixe. Angesichts seiner Relevanz sollten Vorgesetzte für den Termin geschult werden: Wie gebe ich konstruktiv und wertschätzend Feedback? Was macht eine gute Gesprächsführung aus? Wie gehe ich mit Gehaltsforderungen um? Wie halte ich das Jahr über eine aktive Feedbackkultur aufrecht?
Ergebnisse dokumentieren: Die Ergebnisse und Vereinbarungen aus den Gesprächen sollten HR Manager:innen transparent vorliegen. So können Sie bei Führungskräften regelmäßig nachfassen, inwieweit sie die Absprachen eingehalten und Zwischengespräche umgesetzt haben.
HR hat mit der optimalen Vorbereitung der Jahresgespräche also einen großen Hebel, um Führungskräfte zu unterstützen, Mitarbeiter:innen zu fördern und somit zum Unternehmenserfolg beizutragen. Wenn Sie diese Punkte beachten, sind Sie auf dem besten Weg, das unbeliebte Jahresgespräch in ein wertvolles und wirksames Führungs- und Entwicklungsinstrument zu verwandeln.